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Jahrzehntelang begeisterte „Stars in der Manege“ zu Weihnachten Millionen am Bildschirm. Jetzt kommt für die ARD-Gala das Aus.
Die Sendung gehörte zum Deutschen Fernsehen wie der Dompteur in den Raubtierkäfig: Romy Schneider ließ Seelöwen Bälle jonglieren, Lieselotte Pulver tanzte mit einem Pferd Pas de deux. 46-mal begeisterten Prominente bei „Stars in der Manege“ das Publikum im Zirkuszelt und Millionen Zuschauer an den Bildschirmen. Jetzt kommt das völlig überraschende Ende für eine der populärsten Familiensendungen: Im Jahr 2009 wird es keine Gala geben. Stattdessen zeigt der Sender zu Weihnachten lediglich eine Zusammenfassung der Höhepunkte aus den vergangenen Jahrzehnten. Die wird auch nicht mehr im Circus Krone aufgezeichnet, sondern wahrscheinlich in einem kleineren Zelt. Prominente Circus-Akteure aus den vergangenen Jahren sollen dann die alten Bilder kommentieren."
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Diese Zeilen konnte man im März 2009 in vielen deutschsprachigen Medien lesen. Nach 50 Jahren kam das scheinbar plötzliche Aus der großen Manege, einer nicht wegzudenkenden Sendung im Weihnachtsprogramm seit dem Jahr 1959. Die Show der Dompteure, die in wagemutigen Performances eine Vielzahl wilder oder auch weniger wilder Tiere vor Publikum dazu brachten das zu tun, was dem Volk gefällt, dem gebändigten Individuum aber wohl kaum. Letztlich bleibt es den einstigen Domteuren nur noch, die Heldentaten der Vergangenheit medienwirksam zu kommentieren.
Die ersten Dompteure in den großen Zirkuszelten sah man in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Frankreich. Dort hießen die Herren der Manage allerdings nicht Dompteure, sondern Manager (in Anlehnung an die Manege). Zwischen den Manager/innen in den Zirkuszelten und den Manager/innen des ausklingenden Industriezeitalters liegen mehr als 150 Jahre, aber das Schicksal der beider könnte sehr ähnlich sein. Denn der Zirkus des "Mehr" und des "Größer" schließt langsam seine Pforten. Die Show hat immer weniger Besucher und die weißen Tiger von damals sind längst ausgestorben. Der Jubel verstummt.
Um die Manager des 20. Jahrhunderts muss man sich nur wenig sorgen, aber was passiert mit den Methoden und Werkzeugen, die uns diese Generation des Managements hinterlassen hat? Werkzeuge wie Organigramme, wie mittel- und langfristige Planungstools, wie Bilanzen, wie "Management by XX" Ansätze oder klassisches Prozessmanagement? All diese Werkzeuge waren gut einzusetzen in Zeiten von stabilem Wachstum, von sich nur langsam veränderten Umwelten und einigermaßen vorhersehbaren Kundenwünschen. Die Werkzeuge sind noch in all zu vielen Managemententagen im Einsatz - verlieren aber zunehmend ihre Wirkung. Stellt sich die Frage, was sind denn die neuen Werkzeuge, die Organisationen und Mitarbeiter/innen zu Höchstleistungen motiviert?
Die Antwort ist denkbar einfach und gleichzeitig so unglaublich schwierig in die Welt zu bringen - es braucht Menschen, die sich zutrauen machtlos mächtig zu agieren. Menschen, die bereit sind Verantwortung zu tragen und gleichzeitig diese vertrauensvoll zu übertragen. Es braucht Menschen, die sich Zeit für sich selbst nehmen und dabei dem Umfeld ausreichend Zeit geben. Es braucht Persönlichkeiten, die solche sind, ohne solche sein zu wollen und Individuen die aufmerksam auf die Wege anderer schauen ohne den eigenen aus dem Auge zu verlieren. Man darf nur in einem der Beste sein und das ist das Erkennen, das andere Besser sind und das auch sein dürfen. Es bedarf Führungskräften die anpacken können und denen es leicht fällt auch wieder los zu lassen und es braucht Menschen, die genau diese Spannungsfelder ausreichend reflektieren und sich selbst darin aussteuern.
In Zeiten der Wissensmanager/innen in den Organisationen funktionieren die Prinzipien der Leistungsgesellschaft nicht mehr. Das Paradigma des KNOW HOW gilt es abzulösen durch ein klares KNOW WHY. Kreativarbeiter/innen lassen sich nicht um 8:00 "anstellen", um 17:00 "abstellen" und dazwischen so überwachen, dass sie nichts "anstellen". Menschen wollen sich auch immer weniger an ein Unternehmen binden - auch hier wirkt wieder ein Paradoxon - denn es gilt die MitarbeiterInnen "freizusetzen" um diese letztlich doch im Unternehmen zu halten. Arbeitsplätze werden zu Knowledgebases und Organisationen zu Kompetenz- und Wissensnetzwerken. In diesem Zusammenhang geht es nicht nur um Unternehmen, die vordergründig stetig neues entwickeln - all das ist auch ein möglicher Alltag für Menschen in "traditionellen" Branchen wie der Pflege, im Handel und auch für Mitarbeiter/innen in der Organisation oder in der Produktion. Das Bedürfnis am MITarbeiten und die Sehnsucht nach SINN in dem was man tut, macht vor keiner noch so kleinen Unternehmenstüre halt.
Moderne Führungskräfte sehen sich in dieser Welt nicht vorrangig als Teil des Managements, weit oben in der Pyramide, denn die Pyramiden passen nicht mehr in eine Welt, wo Kreise und Wellen die Gesellschaft prägen. Moderne Führungskräfte sind Teil aber nicht mehr der Hauptteil in Unternehmen. Das Gewicht der Organisationen wandert vom Zentrum in die Peripherie - denn dort passiert Kommunikation und Innovation und damit die Aussteuerung auch des inneren Gleichgewichtes.
Die Wirtschaft des 21. Jahrhundert braucht sie immer weniger, die "Stars in der Manege", die Dompteure hinter der Maske vieler Manager/innen. Es braucht viel mehr Animateure, die es schaffen Menschen zu entfesseln, deren Fähigkeiten zu erkennen, diese zu entwickeln und damit den Rahmen setzten, um die Vielfalt an Potenzialen in Wirkung zu bringen.
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